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Peter Janssen – eine zeitgenössische Biografie
von Professor Ludwig Pietsch – Berlin
Quelle: Vellhagen & Klasings Monatshefte,
XVI. Jahrgang 1901/1902. Heft 2, Oktober 1901.

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© 2012 Stephan Kotthaus

aktualisiert:26.01.2012

 

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Studienkopf

Jener alte legendarisch-poetische Glanz, mit dem für die Phantasie des Publikums, - und keineswegs nur des deutschen – während der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Düsseldorfer Malerschule umstrahlt wurde, war während der folgenden Jahrzehnte mehr und mehr verblaßt. Schon zu Anfang der vierziger Jahre trat die Reaktion gegen den überschwenglichen Enthusiasmus ein, welchen die Werke der jungen Meister dieser rheinischen Schule eine Zeitlang erregt hatten. Immer schärfere Kritik wurde an ihnen geübt. Die Vergleichung mit den Schöpfungen der gleichzeitigen französischen und belgischen Malerei, wozu dem deutschen Publikum damals erst Gelegenheit geboten wurde, fiel meist zu Ungunsten jener Düsseldorfer aus. Der glänzende Aufschwung der Münchener Malerschule, in der die Kartonzeichner durch die Koloristen und die Virtuosen der Technik abgelöst worden waren, wie der Berliner, in der endlich der größeste und früheste Vertreter des Realismus in der Malerei, Adolf Menzel, sich zu der ihm gebührenden beherrschenden Stellung durch- und emporgerungen hatte, half dann für längere Zeit die Düsseldorfer mehr und mehr in den Schatten zu stellen. Von den Meistern, die einst ihren größten Stolz und Ruhm gebildet hatten, waren die einen aus dem Leben geschieden, andere, wie Lessing und Schrödter, Bendemann, Hübner, waren dem Rufe nach anderen deutschen Kunststätten gefolgt. Fast nur die eine alte Säule, Andreas Achenbach, zeugte, - und zeugt noch heute – von der verschwundenen Pracht des Altdüsseldorf der dreißiger Jahre; neben ihm halfen sein jüngerer Bruder, Oswald, dessen schönes Talent sich erst um die Mitte des Jahrhunderts entfaltete, und der originelle Meister religiöser Kunst von Gebhardt den Ruf der rheinischen Kunststadt und –Schule erhalten. Der Größeste, der aus jener Schule hervorgegangen war, Alfred Rethel, blieb, da sein wichtigstes Lebenswerk ein Zyklus  von monumentalen Wandgemälden in Aachen war, der großen kunstfreundlichen Menge im inneren Deutschland als Maler so gut wie unbekannt. Nur seine 1848, 1849 und 1850 viel verbreiteten, durch Faksimile-Holzschnitt vervielfältigten, tiefsinnigen, kraft- und charaktervollen Totentanzzeichnungen ließen auch hier in weiten Kreisen doch eine Ahnung der hohen künstlerischen Bedeutung ihres Erfinders und Zeichners aufgehen.

So war immer dafür gesorgt, daß die rheinische Malerstadt, wenn sie auch viel von jenem poetisch- romantischen Nimbus eingebüßt hatte, mit dem sie in der ersten Jugendzeit der Schule umwoben war, - als der Sitz ausgezeichneter Meister respektiert werden mußte, welche gegen die in den anderen deutschen Kunststädten wirkenden, - abgesehen von wenigen alles überragenden Größen, - nicht zurückstanden. – Bekanntlich kehrte eine der Berühmtheiten und Mitbegründer der romantischen Altdüsseldorfer Schule, Bendemann, der 1838 deren Sitz verlassen hatte, als er das Direktorat der Kunstakademie zu Dresden übernahm, nach einundzwanzigjähriger Abwesenheit wieder zur Heimat seines Ruhmes, nach Düsseldorf, zurück, wohin er 1859 als Direktor der dortigen Kunstschule berufen wurde. Er war nun zwar seinem ganzen Naturell und künstlerischem Wesen nach nicht der Mann, der befruchtend und neues frisches Leben erweckend, zu wirken vermocht hätte. Aber dennoch ist aus seiner Schule der Künstler hervorgegangen, der heute diese Stelle einnimmt, die Düsseldorfer Akademie leitet und der durch die Größe seines Genies und sein mächtiges Schaffen ihr erneuten Ruhm erworben, durch die Kraft des Beispiels und der Lehre eine Schar von neuen Talenten herausgebildet hat, die durch ihre eigenen Schöpfungen die besten Beweise für diese hohe Begabung ihres Lehrers geben.

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Dieser Meister und gegenwärtige Direktor der Kunstakademie zu Düsseldorf ist Professor Peter Johann Theodor Janssen.

Wir lernten den damals etwa Dreißigjährigen in Berlin in der ersten Hälfte der siebziger Jahre kennen, als er in Gesellschaft seines Meisters, dessen Sohnes Rudolf  und zweier anderer Düsseldorfer Genossen, Fr. Röber und W. Beckmann, an der malerischen Ausschmückung der Corneliussäle in dem damals vollendeten Gebäude der Nationalgalerie arbeitete. Ihm waren der selbständige Entwurf  und die Ausführung der Gemälde in den Bogenfenstern der Wände unter der Decke des zweiten Saales übertragen, in welchem die Kollosalbüste Peters von Cornelius’ und dessen Kartons für die Wandmalereien in der Glypthotek ihre Aufstellung erhalten sollten. Die Prometheusmythe war ihm als Stoff und Gegenstand gegeben. Außerdem sollte er die Schmalwand, in welche die Nische für jene Büste vertieft ist, mit allegorischen Gemälden schmücken, welche die Hauptgestalten des hellenischen Epos im Zusammenhange mit der Idee der Läuterung durch die Tragödie versinnlichen. Der Erscheinung des Künstlers, der uns da als Herr Maler Janssen aus Düsseldorf vorgestellt wurde, schienen uns die, in den Linien und der Formengebung ideal schönen, den gegebenen Flächenräumen glücklich angepaßten, geschickt und geschmackvoll hineinkomponierten, in den Farben aber zart matt und gedämpft gehaltenen Gemälde, mit denen er jene Bogenfelder dekorierte, wenig zu entsprechen. In seinem vollbärtigen Antlitz, seiner kraftvollen elastischen Gestalt, seinen raschen Bewegungen drückte sich so viel feurige Männlichkeit, Temperament und Energie aus, daß man viel eher Bilder von überschäumender Lebendigkeit und Farbenglut, als diese kühl gestimmten, Bendemanns künstlerischer Art verwandten Darstellungen von ihm erwartet hätte. Aber man mußte sich sagen, daß jede andere Art der Lösung dieser Aufgabe der Bestimmung der Bilder, wie der zahmen, kühlen, dünnen Strackschen Architektur und den farblosen, grauen riesigen Kartons, mit denen die unteren Wandflächen sich bedecken sollten, wenig entsprechend gewesen sein würde. Wenn Janssen die hier von ihm angewendeten künstlerischen Ausdrucksformen gewählt hatte, so war das nicht aus etwaiger Unfähigkeit, andere zu beherrschen, geschehen, sondern in Erwägung der vorliegenden Bedingungen und mit deren Berücksichtigung. Daß Janssen, wo er nicht durch solche Rücksichten gebunden war, zeichnerisch und koloristisch ganz anders ins Zeug zu gehen vermöge, hatte er in seinen, vor diesen Malereien ausgeführten Arbeiten bereits wiederholt zur Genüge bewiesen.

Blicken wir zurück auf seinen Entwicklungsgang. Am 12. Dezember 1844 war er zu Düsseldorf geboren als der Sohn eines ausgezeichneten Kupferstechers, unter dessen Stichen besonders der nach Hasenclevers „Examen des Kandidaten Jobs“ seiner Zeit einen großen allgemeinen Erfolg geerntet hatte. Die ungewöhnliche Begabung des Sohnes hat sich bereits in zartester Jugend zweifellos bekundet. Der Vater suchte die Entwickelung des glücklichen Talents nach besten Kräften und durch die geeignetsten Mittel zu fördern. Von ihm empfing der Knabe den ersten und zwar einen sehr tüchtigen, zweckgemäßen Unterricht, durch den indes bis zu Peters fünfzehnten Jahr der Schulbesuch keine Einschränkung erfahren durfte. Dann kam der zum Malerberuf bestimmte Knabe in die Lehrklassen der Düsseldorfer Akademie, über die damals noch Schadow sein strenges Regiment führte.

Carl Müller, der Heiligenmaler, wurde dort Janssens erster Lehrer. Er sowohl, als Bendemann, Schadows Nachfolger im Direktorat, und Carl Sohn, der seinen Unterricht in der Malklasse leitete, waren aber im Grunde wenig dazu geeignet, eine künstlerische Individualität, wie die dieses jungen Rheinländers, richtig zu erkennen, zu würdigen und auf den ihr gemäßen Weg zu führen. Aber immerhin dankt Janssen besonders Bendemann die strenge zeichnerische Schulung und die Gewöhnung zur äußersten Gewissenhaftigkeit bei der ganzen Durchführung, die ihm bei seinem ganzen späteren Kunstschaffen zum besten Heil gereicht haben. Wenn er sich unter den Meistern seiner Zeit einen Helden hätte wählen sollen, „dem er die Wege zum Olymp hinauf sich nacharbeite“, so wäre es Alfred Rethel gewesen. Mit der ernsten Macht und Größe von dessen Schöpfungen verglichen, dünkte ihm das Werk der anderen ziemlich schwächlich und klein.

In den Jahren zwischen 1865 und 1869 führte er, noch unter den beaufsichtigenden Augen Bendemanns und durch diesen beraten und kritisiert, sein erstes, in der Vollendung eben dadurch vielfach verzögertes Bild aus: „Die Verleugnung Petri“.

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Die Verleugnung Petri

 Es blieb auf der großen Ausstellung zu München nicht unbeachtet und lenkte die Aufmerksamkeit auf das neue vielverheißende Talent. Sehr bald danach schon bot sich ihm die Gelegenheit , von seiner außerordentlichen Begabung noch ganz andere hochbedeutende Proben abzulegen durch Kunstwerke, in denen seine eigenste künstlerische Persönlichkeit zum vollen Ausdruck gelangte. Seitens der Stadt Krefeld war eine Einladung an die deutschen Maler ergangen, in einem Wettbewerb um den Auftrag zur Ausmalung des dortigen Rathauses mit Bildern aus der städtischen Geschichte einzutreten und Skizzen dazu einzusenden. Janssen beteiligte sich an dieser Konkurrenz. Aber er erlaubte sich, von dem Programm gänzlich abzuweichen und, statt der Krefelder Stadtgeschichte, den alten Freiheitskämpfen der Germanen gegen ihre römischen Unterdrücker seine Stoffe zu entnehmen. Diese Janssenschen Skizzen waren indes zu bedeutend und eindrucksvoll, um einfach über sie hinweg zur Tagesordnung zu schreiten. Es wurde eine neue engere Konkurrenz ausgeschrieben, bei der die Wahl der Gegenstände der Darstellungen dem eigenen Ermessen der aufgeforderten Künstler anheim gestellt blieb. Aus diesem Wettkampf ging Janssen unbestritten als Sieger hervor.

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Der zurückweichende Varus

Die neuen Entwürfe und den zugleich mit diesen eingelieferten Karton zu dem einen der Bilder – der Hermannschlacht – hatte er während eines Aufenthalts in München ausgeführt, wo damals die vielgepriesene Pilotyschule in voller Blüte stand. Von einer Beeinflussung durch deren Meister aber blieb Janssen völlig frei. Früher als andere und ungeblendet durch dessen von aller Welt enthusiastisch bewunderte, glänzende, aber äußerliche Eigenschaften, durchschaute er die Hohlheit, das Gemachte und Theatermäßige dieser Pilotyschen Geschichtsmalerei. Von dem von ihm als richtig erkannten Wege lies er sich durch deren Beispiel nicht ableiten. Schon damals, wie während seiner ganzen ferneren Laufbahn war Janssens Streben darauf gerichtet, den natürlichen menschlich wahren Ausdruck der Empfindungen und Leidenschaften statt des theatralischen seinen Gestalten zu verleihen, die schlichte Größe nicht durch Betonung zerstreuender Äußerlichkeiten zu schädigen; durch unablässiges strenges Naturstudium und Naturbeobachtung suchte er den Schöpfungen der Phantasie im Bilde den Schein des wahrhaftigen Lebens zu verleihen. Der mächtigen erfinderischen und gestaltungskräftigen Phantasie sind bei ihm – in einem, bei deutschen Malern der jener Zeit vorangegangenen Epoche ganz ungewöhnlichem Maße – der glückliche starke und feine Koloritsinn und die malerisch-technische Geschicklichkeit und Anstelligkeit gesellt. Das zeigte sich schon überzeugend in jenen Wandgemälden im Krefelder Rathause.  

Sie, wie alles, was Janssen seitdem geschaffen hat, sind nicht, wie bei Cornelius und Kaulbach, als Zeichnungen, als graue Kohle- oder Bleistiftkartons gedacht und erst nachträglich „koloriert“, sondern von ihm als farbiges Ganze in der vollen Tonstimmung und somit in voller Lebendigkeit schon in der Phantasie angeschaut.

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Der siegreich vordringende Herrmann

Von den vier großen Rathausbildern schilderte das erste die Hermannschlacht, eine Komposition voll feurigen Lebens, welche durch die Thür in der betreffenden Wand in zwei Hälften zerlegt wird. Das folgende den Triumph des Germanicus, an dessen Seite Thusnelda, ihren in der Gefangenschaft geborenen Knaben Thumelicus auf dem Arm, zwischen mit Ketten belasteten besiegten Germanen an dem Hochsitz ihres verräterischen Vaters, des Römerfreundes Segestes, vorüber schreitet. Das vierte Wandbild malt in ergreifenden mächtigen Zügen die Totenfeier des Arminius. Diese Wandgemälde wurden in den Jahren 1871 bis 1873 von Janssen ausgeführt, und ersichtlich hat die gewaltige Erregung der deutschen Volksseele durch den Krieg und Sieg von 1870-1871 auch auf den, an den Geschicken des Vaterlandes leidenschaftlichen Anteil nehmenden Künstler mächtig eingewirkt; aus solcher gesteigerten Stimmung heraus sind jene Gemälde erzeugt, welche germanische Befreiungskämpfe gegen fremde Gewalt und die Tragödie germanischer Fürsten- und Stammeszwietracht so packend und mit so großer, echt malerischer Bildwirkung schildern.

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Totenfeier Herrmanns

Mit diesem Werk hatte Janssen seinen Ruf als einer der ersten lebenden  deutschen Geschichts- und Monumentalmaler begründet. Noch während der Arbeit daran erhielt er einen neuen bedeutenden Auftrag von beiderlei Art: den großen Saal des Börsengebäudes zu Bremen mit einem geschichtlichen Wandgemälde zu schmücken. In dem Wettbewerb mit Arthur Fitger war er Sieger geblieben. Als Gegenstand wählte er die Besiedelung der Ostseeländer durch die Hanse im deutschen Mittelalter. Hier galt es keine dramatisch zugespitzten geschichtlichen Einzelvorgang zuschildern, sondern eine sich während längerer

Zeiträume vollziehende Reihe von Handlungen und die durch sie bewirkte Entwickelung und Umwandelung von Zuständen in einem Bilde zusammengefaßt zur Darstellung zu bringen. Auch diese Aufgabe hat der Künstler sehr geschickt und befriedigend zu lösen verstanden. Durch die scharf herausgearbeiteten charakteristischen Gegensätze und Rassenverschiedenheiten in der Erscheinung der niederdeutschen Kolonisatoren und der slawischen Bewohner jener Ostseelande kommt in die Komposition eine Mannigfaltigkeit der Menschentypen, die von glücklichster Wirkung für das Ganze ist. Es gereicht jenem Raum zum ebenso malerisch-schönen und fesselnden wie ernsten und bedeutsamen Schmuck.

In einem, im Jahr 1875 von Janssen ausgeführten großen Ölgemälde betätigte er noch entschiedener als in jenem Bremer Wandbild seine große realistische Kraft der Schilderung, der lebendigen Veranschaulichung auch von Menschen und Vorgängen aus weitentlegenen, längst vergangenen Zeiten. Das Bild stellte das Gebet der Schweizer Hirten und Bauern vor der Schlacht von Sempach dar. Ein stärkerer Kontrast als der, in dem sich die darin bekundende Auffassung und Wiedergabe einer geschichtlichen Szene zu der bei den Meistern der älteren Düsseldorfer Schule gewöhnten steht, läßt sich kaum denken. Die Wucht und Macht der Charakteristik in diesen herben, „waldursprünglichen“, zum Kampf mit einem furchtbaren Feinde auf Tod und Leben entschlossenen Männer- und Jünglingsgestalten, deren fromme Gläubigkeit sich so echt und wahrhaftig, so tief erregt und ohne eine Spur von romantischer Gefühlsweichheit äußert, ist ganz außerordentlich.

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Gebet der Schweizer vor der Schlacht bei Sempach

Damals, im Jahre 1875, war es, daß Janssen von der Staatsregierung den Auftrag zur Ausführung jener Wandbogengemälde im zweiten Corneliussaal des neuen Nationalgaleriegebäudes erhielt, deren Motive, wie bereits oben erwähnt ist, der Prometheussage entlehnt werden sollten. Zehn solcher Bogenfelder an den Langseiten und je eine Wandfläche auf jeder der beiden Schmalseiten hatte er mit Gemälden, jene mit halblebensgroßen, diese mit lebensgroßen Gestalten, zu schmücken. Die technische Ausführung sollte in matten Wachsfarben nach Andreas Müllers Rezept geschehen, wovon von vornherein das Anstreben stärkerer farbiger Wirkungen ausgeschlossen war, wie es sich durch die Architektur und die Bestimmung des Raumes von selbst verbot. Die so entstandenen Gemälde beweisen ebenso die Vielseitigkeit der Begabung und des Könnens ihres Urhebers, als seine Kraft der Selbstbeherrschung und jener „Beschränkung“, in der sich nach Goethes berühmten Spruch ja erst der Meister zeigen soll. Aber diese Kompositionen beweisen auch eine ganz ungewöhnliche Fähigkeit der poetisch-malerischen Erfindung, die ihm den gegebenen Stoff eine so große Fülle von Bildmotiven  abgewinnen ließ. So malte er in die Bogenfelder oben über der Langwand zur Rechten Themis, ihrem Sohn Prometheus den einstigen Sturz des Zeus prophezeihend; Prometheus am Kampf der Götter gegen die Titanen teilnehmend; Prometheus Menschen formend, die durch Pallas beseelt werden; Prometheus entflieht mit dem dem Zeus geraubten himmlischen Feuer; er lehrt, in dessen Besitz, die Menschen Künste und Handwerke. Daran schließt sich dann an der Giebelwand der südlichen Schmalseite das große Bild des an den Kaukasus gefesselten Prometheus, dessen Schicksal von den mildherzígen, dem Meeere enttauchenden Okeanostöchtern beklagt wird. Sie umgeben, um ihn zu trösten, den Felsen, auf dem er angeschmiedet liegt, titantrotzig dem Adler entgegenblickend, der heranschwebt, um an ihm die Rache des Zeus zu vollziehen. Okeanos und der Berggott des Kaukasus, in den Giebelecken lagernd, schließen zu beiden Seiten die Komposition, die reichste und schönste von allen, ab. Auf der angrenzenden Wand setzt sich die Bilderreihe fort: das nächste zeigt den Prometheussohn Epimetheus in den Armen der geliebten Pandora, während diese das verhängnisvolle Gefäß öffnet, dem die darin eingeschlossen gewesenen Dämonen des Unheils und Verderbens entsteigen. Es folgt das Bild einer wild bewegten Szene, welche den Verlauf der mythischen Prometheus-Tragödie seltsam unterbricht: mitsamt den ihn bemuítleidend und kalgend umgebenden Okeaniden wird er durch den Zorn des Zeus in den Tartaros hinabgestürzt. Aber das ist nur ein vorübergehendes Internmezzo, eine eingeschobene Episode. Denn das nächste Bild zeigt die befreiende That des Herakles, dessen Pfeil den an des Gefangenen Leber fressenden Adler erlegt. Seiner Fesseln wird Prometheus durch seinen Erlöser und seine Mutter Themis entledigt, und der edle Kentaur Chiron erbietet sich, um Zeus zu versöhnen, statt des Befreiten in den Hades hinab zu steigen. – Das Bild der Aufnahme des entsühnten Prometheus in den Kreis der seligen Olympier schließt hier – nahe der Nischenwand – die Reihe.  Die beiden Felder zu den Seiten der letzteren, in welcher die vergoldete Kolossalbüste des Cornelius ihre Aufstellung gefunden hat, schmückte Janssen dann noch mit den allegorischen Gemälden: der Verkörperung der Ilias mit Thetis, welche die Waffen des Achill trägt, hinter ihr dieser und Patroklos; der Gestalt der Odyssee mit Odysseus und Penelope. Beide Gruppen scheinen aufwärts , dem im Scheitel der Giebelwand dargestellten , gewaltigen Gott Eros, dem Bändiger der Elemente, entgegen zu schweben, in welchem nach der griechischen Auffassung die göttliche Vollkommenheit verkörpert ist.

Dem Reich der antiken Mythe, Sage und Dichtung hat die Stoffwelt sehr fern gelegen, welche die Gegenstände zu den von Janssen während seiner ferneren Laufbahn ausgeführten zahlreichen monumentalen Malereien hergeben mußte. Aber immer zog es seine schönheitsfreudige Künstlerseele doch mächtig an; und zu seiner eigenen Erfrischung und Erquickung, wie um sich zu erholen von dem Malen realistischer Szenen und Gestalten aus der Geschichte der christlichen Jahrhunderte, wandte er sich immer wieder den Götter- und Halbgöttergestalten des alten Hellas zu; er fand seine künstlerische Wonne darin, bald in Bleistift- und Rötelentwürfen, bald in prächtigen Farbenskizzen, zuweilen auch in großen durchgeführten meisterhaften Staffeleigemälden voll Farbenglanz und –Glut die „holden Wesen aus dem Fabelland“, die von ihnen „an der Freude leichtem Gängelband geführten seligen Geschlechter“ und die von ihnen regierte, mit ihnen belebte schöne Welt zu schildern.

Die nächste Aufgabe, die ihm nach der Vollendung jener Prometheusbilder von der Staatsregierung gestellt wurde, war die Weiterführung und der Abschluß einer, von zwei Düsseldorfer Kollegen, Kehren und Commans, nur bis zur Hälfte gebrachten dekorativen Arbeit: eines Gemäldefrieses in der Aula des Lehrerseminars zu Moers, der den Entwicklungsgang oder Hauptmomente der deutschen Geschichte vom Altertum bis zur Gegenwart darstellen sollte. Jene katholischen frommen Maler hatten es nicht über sich vermocht, auch die Periode der Reformation und die ihr folgenden Zeiten künstlerisch zu verherrlichen. Janssen übernahm es für sie und malte die beiden fehlenden Stücke des Zyklus, welche die großen Hauptakte der Reformation, vom Märtyrertode des Johann Huß bis zur Verlesung der Augsburgischen Konfession, und die preußischen Herrscher von Johann Sigismund bis Kaiser Wilhelm und ihr Wirken für das protestantische Bekenntnis und die Glaubensfreiheit veranschaulichen.

Damals wurde der ehemalige Schüler der Düsseldorfer Akademie als Professor und Lehrer der Malerei an sie berufen. Als solcher, wie seit 1895 als Direktor der Anstalt, fand er Gelegenheit, seine eminente Begabung für das Belehren und Leiten der Künstlerjugend, das sich an ihm – ein ziemlich seltener Fall – so glücklich mit dem schöpferischen Talent vereinigt, in immer wachsenden Maße zu bewähren und für die Düsseldorfer Malerschule eine neue Blütezeit heraufzuführen. Gleichzeitig erhielt Janssen einen neuen großen Auftrag, so recht nach seinem Herzen. Er wurde eingeladen, den Saal des neuen Rathauses zu Erfurt mit Gemälden aus der Geschichte dieser Stadt zu schmücken.

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Die Predigt des heiligen Bonifazius

Sieben von diesen Wandgemälden schildern historische Vorgänge in großer Auffassung und monumentalen Zügen; zwei des ganzen Zyklus sind zum Teil allegorische Kompositionen: das erste jener sieben stellt die Bekehrung des Erfurter Gaues zum Christentum durch den heiligen Bonifatius im Jahre 719 dar, wobei die Fällung der dem Gott Wodan geweihten Eiche durch den kühnen, glaubensstarken Apostel als Hauptmotiv gewählt und verwertet ist. Die folgende, von einer Thür durchbrochene Wand schmückte Janssen, die dadurch bedingte Form der Fläche geschickt benutzend, mit den Idealgestalten der mittelalterlichen thüringischen Schutzheiligen St. Martin und St. Elisabeth und mit der Darstellung einer Kinderwallfahrt, wie sie in der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts in diesen Landen veranstaltet worden sind und die in deren Bevölkerung damals herrschend gewesenen religiös- mystischen Stimmungen charakterisieren. Die Demütigung des geächteten Heinrich des Löwen, der auf dem Reichstag zu Erfurt 1181 dem Kaiser Friedrich für seine vor Alessandria bewiesene Untreue Abbitte zu leisten gezwungen war, bildet den Gegenstand des folgenden Gemäldes. – Das nächstangrenzende schildert die Durchführung des auf dem Reichstage von 1290 unter Rudolf von Habsburg beschlossenen „Gottesfriedens“, die Bezwingung einer jener verderblichen Raubritterburgen, von denen aus Thüringens Volk mit so schlimmen Plagen heimgesucht worden war: die Wegführung der gefangenen adligen Räuber durch das siegesfreudige Kriegsvolk.

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Der Kniefall Heinrich des Löwen vor Kaiser Friedrich Barbarossa, 1181

Die Verherrlichung des durch die 1392 gegründete Erfurter Universität mächtig geförderten neuen, regen Geisteslebens Thüringens ist ein teilweise symbolisches Bild gewidmet. Diese Universität, die Alma Mater Erfurt, ist durch eine hoheitsvolle, in der Mitte thronende ideale Frauengestalt verkörpert. Die von den Bildnisfiguren der berühmtesten von den an dieser Anstalt lehrenden beziehungsweise aus ihr hervorgegangenen Repräsentanten der vier Fakultäten umgeben wird: Martin Luther als dem der Theologie, Gobanus Hesse, dem Philosophen, Amplonius de Berka, dem Mediciner, Henning Goede, den Rechtsgelehrten.

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Die Universität Erfurt

Im schärfsten Gegensatz zum feierlich ruhigen, statuarischen Charakter dieses Gemäldes steht der des nächstfolgenden, der Darstellung eines wild und leidenschaftlich bewegten Vorganges aus der Erfurter Stadtgeschichte zu Anfang des XVI. Jahrhunderts: der Erstürmung des Ratssaales durch das empörte Stadtvolk, dem der verhaßte Obervierherr Heinrich Kellner trotzig stolz und verachtend mit dem kecken Wort entgegentritt: „Die Gemeinde? Die Gemeinde bin ich.“ – Ein für die Freiheit und Selbständigkeit der Stadt Erfurt vernichtendes Ereignis aus ihrer Vergangenheit gab den Gegenstand des folgenden Bildes: der Einzug des Kurfürsten von Mainz Philipp von Schönborn, der sich Erfurt unterworfen hatte, im November 1664, und der Huldigungsakt der Stadt. Die dabei entfaltete äußere, kostümiche Pracht, durch welche das Bild der Szene eine besonders reiche Farbigkeit erhielt, hat dem Stoff für den Maler wohl seinen Hauptreiz gegeben.

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Einzug des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn in Erfurt, 1664

Die Fläche der nächsten Wand, in die wieder eine Tür einschneidet, schmückte Janssen mit einem geschickt in die dadurch bedingte Raumform hineinkomponierten Bilde einer anderen freudigeren Huldigung, welche die Bürgerschaft des preußisch gewordenen Erfurt dem die Stadt besuchendem Königspaar Friedrich Wilhelm III. Und Luise im Jahre 1803 darbrachte. Zum Vorwurf des letzten Bildes, das diese ganze Reihe schließt, wählte der Maler einen realen geschichtlichen Vorgang in den Straßen Erfurts, der zugleich als ein symbolischer wirkt, da die große Tatsache der Befreiung der Stadt und des Vaterlandes von der französischen Fremdherrschaft  in ihm zum prägnanten Ausdruck gelangt: die Niederreißung jenes hölzernen Obelisken, der 1811 zur Feier der Geburt des „Königs von Rom“ dem großen Napoleon errichtet worden war, durch die Bevölkerung Erfurts beim Einmarsch der Preußen im Jahre 1814. In diesen in Wachsfarben gemalten Wandbildern erscheint Janssens großes, glückliches Talent zur vollster Reife entwickelt. Noch nie waren bis dahin durch einen deutschen Künstler geschichtliche Monumentalgemälde geschaffen und ausgeführt worden, die von Haus aus so malerisch empfunden , so farbig gedacht, so frei von allem Theatralischen, so lebensvoll und lebenswahr, zugleich doch so großen schlichten, echt monumentalen Stils und zu alledem auch noch so technisch meisterhaft gemalt gewesen wären, wie diese.

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Die Zerstörung der Napoleonssäule auf dem Anger, 1814

Wie mächtig und schaffenskräftig auch Janssens Phantasie ist, es geht bei ihm mit dem Erfinden das strenge unablässige Naturstudium immer Hand in Hand und läßt in nie den festen soliden Boden unter den Füßen verlieren. In allem, was er hier und was er seitdem gebildet hat, ist nichts geschwindelt, auf täuschenden Schein, auf schmeichlerischen Effekt, berechnet und nirgends ein Abirren in haltlose Phantasterei: „Die Natur ist aller Meister Meister.“ Das gilt auch ihm für sein eigenes Schaffen wie bei seinem Unterrichten als oberster Grundsatz, der ihn leitet und dem er folgt. Ihm entsprechend hat er die vorgefundenen Formen und Methoden des künstlerischen Studiums und Unterrichts an der Düsseldorfer Akademie, in ihren Zeichen- und Malklassen von Grund aus umgestaltet, das lange Zeichnen nach der Antike auf ein bescheidenes Maß eingeschränkt, das peinlich subtile Ausführen gänzlich verbannt, dafür das beständige Arbeiten nach dem lebenden Modell in der Ruhe wie in der Bewegung gesetzt. Übungen des künstlerischen Gedächtnisses durch die Wiedergabe empfangener Natureindrücke aus der Erinnerung, das Entwerfen farbig gedachter  Kompositionen und die gründliche Schulung in guter malerischer Technik traten in den Vordergrund, und bald wurden auf diesem Wege die glänzenden Früchte gezeitigt, an welchen man den hohen Wert dieser neuen künstlerischen Erziehungsmethoden und die überragende Bedeutung von Janssens persönlicher Lehrbegabung erkennen mag. Sind doch aus dieser Düsseldorfer Schule, seit er ihre Leitung übernommen hat, einige der tüchtigsten und männlichsten künstlerischen Kräfte in der neueren deutschen Malerei hervorgegangen, während die Akademie ehemals unter Schadow und Bendemann als die Pflanzstätte der schwächlichen, damenhaften Talente galt.

Wenn Janssens Haupttätigkeit auch während jener Jahre in der Ausführung der großen Wandmalereien bestand, so hatte er darum die Staffelmalerei keineswegs vernachlässigt.

Zur Überraschung vieler, welche die umfassende Größe seines malerischen Könnens noch nicht kannten, trat er (auf der Düsseldorfer Kunst- und Gewerbeausstellung im Mai 1880) mit einem lebensgroßen Bildnis in ganzer Figur, dem des alten populären Akademie-Inspektors Holthausen, hervor, das seinem Maler widerspruchslos den uneingeschränkten Ruhm eines der größesten Bildnismaler seiner Zeit erwarb. Nichts Lebens- und Charaktervolleres, nichts größer Aufgefaßtes, nichts mächtiger gemaltes ist in ihr auf diesem künstlerischen Gebiet geschaffen worden, als das Portrait des bärtigen, alten Mannes, der, die Hand auf den Stock stützend, mit zurückgelehntem Oberkörper und vorgestreckten Beinen und Füßen, von sicherem, stolzem Selbstgefühl erfüllt, dem es nicht an einem Beisatz oder Nebenklang von unfreiwilligen Humor fehlt, auf seinem Stuhl dasitzt. Andere bekannt gewordene Bildnisse Janssens von ähnlicher Trefflichkeit sind das, von ihm im Regierungsauftrag gemalte des Feldmarschalls General Herwarth von Bittenfeld und das des greisen und doch so jugendrüstigen Meisters Andreas Achenbach, welches letztere erst 1890 im Auftrage der Stadt Düsseldorf gemalt wurde.

Sechs Jahre hinter der Ausführung dieses Meisterwerkes zurück liegt die eines figurenreichen Ölgemäldes von ungewöhnlich großen Dimensionen durch P. Janssen. Da gestattete er sich es einmal, in der Darstellung der unverhüllten nackten, prächtig erblühten Schönheit, in „Farbenfülle, reinem Rund“, losgelöst von allem Kostümzwang und allen Rücksichten auf geschichtliche Echtheit der Erscheinung, nach Herzenslust zu schwelgen. In einer Komposition mit überlebensgroßen Gestalten in idealer südlicher Landschaft schilderte er die „Erziehung des Bachus“ durch freundliche Nymphen, denen bockfüßige Faune und Satyrn dabei Gesellschaft leisten, jene und den göttlichen Knaben durch Becken- und Flötenklang erheiternd. Diese Nymphengestalten sind warmblütige, von gesundem, kraftvollen Leben erfüllte, prangende Geschöpfe, die in nichts an die zahmen, kühlen, schattenhaften Idealwesen erinnern, als welche die frühere akademische Kunst solche mythologische Persönlichkeiten zu bilden pflegte. Aber eben so frei wie von Kälte und Leblosigkeit, sind Janssens Nacktheiten von Lüsternheit und sinnlichem Raffinement. Echte Kinder eines goldenen Zeitalters sehen wir vor uns, keine entkleideten Modelle, und der Adel der Form verbindet sich mit einem Reichtum, einem leuchtendem Glanz, einer Tiefe und Glut der Farbe, einer Ruhe, Harmonie und Geschlossenheit der Gesamtwirkung, wie man das alles vor Janssen auf Gemälden aus der Düsseldorfer Schule vergebens gesucht haben würde.

Ein anderes Ölbild ähnlichen Umfangs malte er im Auftrag eines patriotischen Bürgers, Herrn Karl Weiler, der es gelegentlich der 1888 veranstalteten Feier des sechshundertjährigen Bestehens Düsseldorfs als Stadt bei P. Janssen bestellt und zur Ausstellung in der Kunsthalle bestimmt hatte. Ein lokalgeschichtliches Ereignis aus dem XIII. Jahrhundert, die Schlacht bei Worringen, nahe bei Köln, in welcher 1288 Herzog Johann von Brabant, die Grafen von Cleve, Berg und Mark, die Kölner und Düsseldorfer Bürger mit vereinten Kräften den Erzbischof Siegfried von Westerburg und den Grafen Reinald von Geldern besiegten und zu Gefangenen machten, war der dem Künstler gegebene Gegenstand – der übrigens schon 49 Jahre früher durch einen berühmten Meister der jungen belgischen Schule der dreißiger Jahre, Ricaise de Kenzer, in einem seiner Zeit viel bewunderten, großen Gemälde behandelt worden war. Für Düsseldorf hat diese Schlacht dadurch eine größere Bedeutung gewonnen, daß der Gemeinde zum Lohne für die kräftige Mitwirkung ihrer Männer  die Stadtrechte verliehen wurden. Janssen wählte als Darstellungsmotiv keine eigentliche Gefechtsszene. Er malte den Führer der Bergischen Bauern, den fanatischen Mönch Walter Dodde, wie er vom Sattel seines Schimmels herab durch seine flammende Rede die ihn umgebenden Scharen begeistert und die wilde Kampflust in ihren Seelen entfacht . Der Fanatismus des Redners und das Auflodern der Leidenschaften in der Brust der im lauschenden, derben, bäurischen mann34 ist in ihren Gesichtern, ihrer Haltung, ihren dabei durchaus natürlichen und untheatralischen Bewegungen zum packenden, energischen Ausdruck gebracht. Und dabei stehen alle diese Gestalten in der Landschaft, allseitig von Licht und Luft umschlossen, körperhaft vor uns da, ohne das der Maler zur Erreichung dieser Wirkung die Mittel scharfer Sonnenbeleuchtung und somit tiefer Schatten- und glänzender Lichtmassen angewandt hätte.

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Schlacht bei Worringen, 1288 von Peter Janssen, 1893

In dieselben Jahrzehnte, in welchem Janssen diese großen Ölgemälde zu Düsseldorf ausführte, fallen auch seine umfangreichen Arbeiten in dem zur Ruhmeshalle der preußischen Armee umgeschaffenen Berliner Zeughause. Drei aus jener Folge von kolossalen historischen Wandgemälden in Kaseinfarben, mit denen die Hallen des Nordflügels zu beiden Seiten des mittleren Kuppelraumes geschmückt werden sollten, waren dem Düsseldorfer Meister übertragen worden. Den Großen Kurfürsten in der Schlacht bei Fehrbellin hatte das eine, das zweite das Zusammentreffen Friedrichs des Großen mit Zieten nach der Entscheidung der Schlacht bei Torgau, das dritte die Schlacht bei Hohenfriedberg darzustellen. Sie wurden in den Jahren 1884, 1888 und 1890 vollendet.

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Schlacht bei Fehrbellin. Sieg des Kurfürsten über die Schweden 1675

Als das gelungenste will mir das erstgenannte der drei erscheinen. Aber jedes von ihnen ist als Komposition wie in der farbigen Stimmung und Wirkung  den anderen, dort von anderen Künstlern gemalten vaterländischen Kampf- und Siegesschilderungen um ein bedeutendes überlegen, wenn auch nicht den herrlichen symbolischen Gemälden, mit welchen Geseschap die Kuppel, die vier Schildbogen und die Wand-Zwickel der sich in der Mitte jenes Flügels erhebenden Herrscherhalle geschmückt hat.

Bei aller künstlerischen Bedeutung dieser dekorativen Wandgemälde reicht sie doch nicht an die des großen zyklischen Kunstwerks heran, das Janssen während der ersten Hälfte der neunziger Jahre in Düsseldorf selbst zum herrlichen Schmuck der Aula des hart am Rhein gelegenen neuen Akademiegebäudes geschaffen hat, in welchem er seit 1895 als endlich definitiv ernannter Direktor waltet.

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Natur Schönheit Phantasie

Die dort von ihm ausgeführten Malereien gliedern sich in drei Partien: die Friesgemälde zwischen Wand und Decke, die drei in Medaillonform, welche die flache Decke zieren, und die vier, welche in die Bogenzwickel zwischen den rundbogigen hohen, farbig gemusterten Fenstern in der Nordwand des großen Saales hineinkomponiert sind. Jene Friesbilder schildern in den Ausdrucksformen einer ganz originellen und pe4rsönlichen Kunst die Hauptperioden jedes Menschenlebens von der Geburt bis zum Grabe. Die Zwickelgemälde jene „letzten Dinge“ jenseits des Grabes nach den Vorstellungen, welche die christgläubige poetische Phantasie sich von ihnen zu bilden pflegt: Auferstehung, Gericht, Anbetung der Gottheit durch die Berufenen und Auserwählten im Glanze der Wohnung der Seligen, und als viertes Bild eine Gruppe musizierender und singender Engel, die zur Erde herabschweben, um der Menschheit die frohe Botschaft aus Himmelshöhen zu bringen. Von den drei Rundbildern der Decke zeigt das eine, das östlichste, die Verkörperung der Phantasie in der Gestalt eines hüllenlosen weiblichen Idealwesens, das von einem geflügelten Greifen hinauf zu den Sternen getragen wird, wo der aufwärts zum himmlichen Licht Strebenden heitere Genien die Arme liebend entgegenstrecken. In dem westlichen Rundbilde ist die Natur durch ein in üppiger Schönheit prangendes nacktes Weib dargestellt, an dessen Brüsten die sich herandrängenden Kinder der Menschen Nahrung trinken, umgeben von männlichen Gestalten, weiblichen Genien und Putten, welche die Gaben der Erde und des Wassers vor ihr ausschütten.

Dem Bunde der Phantasie mit der Natur entspringt die Schönheit. Ihrer Darstellung ist das mittelste der drei Rundbilder gewidmet. In reiner, keuscher Nacktheit schwebt die Göttin im Geleit der beiden Genien der Malerei und Bildhauerkunst wie von der Decke herab den hinaufschauenden Sterblichen entgegen, die sie „aus dem engen, dumpfen Leben in de Ideales Reich“ zu erheben kommt. Diese drei Plafondgemälde leuchten dort oben in wundervollem Farbenglanz. Die ebenfalls aus echt koloristischer Anschauung heraus geschaffenen Bilder des Wandfrieses zeigen dabei die größeste Feinheit und Mannigfaltigkeit der Farbenstimmungen, die immer der poetischen Stimmung jedes einzelnen angepaßt sind. Das erste Bild, an der östlichen Schmalwand, zeigt das Kind, das in freier Landschaft, in welcher Schafe weiden und der Acker seinen von Kindern gezogenen Pflug führt, von einem beschwingten Himmelsboten bei den ersten Schritten der kleinen Füßchen geführt wird. Die schöne Zeit des Lebens- und Liebesfrühlings schildert das folgende Bild, das erste der südlichen Langwand: Ein junges liebendes Paar in prächtigen Renaissancetrachten, das, von Amouretten umgaukelt, zärtlich aneinander geschmiegt durch die lachende, frühlingsgrüne Welt wandelt. – Die Sonne des Lebenstages steigt höher. Das Mannesalter kommt und mit ihm der harte Kampf  um das eigene Dasein und das der Familie. Sie werden hier symbolisiert durch den Kampf, den ein Mann der Urzeit zum Schutze von Weib und Kind, die sich angstvoll zu bergen suchen, mit den wilden Bestien, den „grimmigen Katzen“ besteht, von welchen der eine Tiger bereits seinem Speerwurf erlegen ist. – Und nach andere größere Kämpfe hat der Mann heldenhaft bestanden und in ihnen glorreichen Sieg errungen. Das folgende, in seiner ganzen Farbenstimmung besonders prächtige Bild zeigt den in glänzender Rüstung strahlenden, vom Purpurmantel umflatternden, den Palmzweig des Friedens tragenden, heimkehrenden Triumphator, an dessen Seite sich die Göttin des Überflusses mit dem Füllhorn schwingt, im Streitwagen, dessen feuriges Rossegespann ein schöner ihm voranschwebender, weiblicher Genius an den Zügeln führt, während die Räder die niedergestreckten Feinde, die Verkörperungen ungerechter Gewalt, der Lüge und Heuchelei zermalmen. Aus den dem Wagen nachwallenden Wolken tauchen unbestimmt die Köpfe und Halbfiguren der Krieger – oder wollte der Meister die Geister der Gefallenen und der Opfer des Krieges darin darstellen? – auf, und die Flammen der Feuersbrünste lodern zum düsteren Himmel empor. –

Im nächsten Bilde (an der westlichen Schmalwand) sieht man den Mann in höheren Jahren, umgeben von den Seinen neben der Gattin, die den kleinsten Buben zärtlich auf dem Schoß hält, unter dem schattigen Baume sitzen, das friedliche kurze Glück des Alters genießend; reife wogende Getreidefelder, durch die der Schnitter geht, liegen vor seinen Blicken, und in den Lüften gaukeln Amouretten, welche Blumen- und Fruchtgewinde tragen. Aber hinter ihm naht schon der Schnitter Tod in Gestalt des „Knochenmannes“, der den Alternden abzurufen kommt. Vergebens knieht ein kleiner Liebesgott vor dem Unerbittlichen, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Zur Rechten dieser Gruppe unter dem Baum in der Mitte, klingt das Ganze in einer Komposition von ergreifender Schönheit aus. Um den Sarkophag des ihnen entrissenen geliebten Familienhauptes knieen schmerzerschüttert die Seinen, Frauen und Männer. Ein blonder Knabe hat sich weinend am Sockel niedergeworfen. Am Kopfende aber sitzt ein geflügelter Engel, der ihnen kündet, daß der aus dem Erdendasein Abgerufene eingegangen sei in das Reich der ewigen himmlichen Klarheit. Eine breite Strahlengarbe fällt aus den Wolken auf die ganze Gruppe.

An der Fensterwand schließt sich daran das erste jener vier Zwickelbilder: die Auferstehung der Toten. Dies magisch aus dem Schattendunkel ihrer Wandflächen zwischen zwischen den Fenstern hervorleuchtenden vier Gemälde sind ihren Gegenständen entsprechend in einem ganz anderen Stil als jene zwar symbolischen, aber zugleich doch auch genrehaften der Hauptabschnitte eines Menschen- und Heldenlebens gehalten; in einem Stil, der in seiner Größe und Feierlichkeit an den der idealistischen römischen Meister der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts anklingt.

Kaum war dies „im tiefsten sinnig-, gedanken-, kunst- und schönheitsreiche, großartige Werk“ (1893) vollendet, das erst drei Jahre später dem Publikum gezeigt, dem mit ihm geschmückten Raum eine so hohe künstlerische Weihe verleiht, so trat an Janssen bereits wieder eine neue, noch gewaltigere Aufgabe gheran, deren Lösung seitdem seine geistige Kraft und malerische Thätigkeit vor jeder anderen in Anspruch genommen hat. Er wurde beauftragt, für den großen Saal im Universitätsgebäude zu Marburg sieben Wandgemälde von kollosalem Umfang und sechs Bilder für die Lünetten an denselben Wänden auszuführen. Die Gegenstände der ersteren sollten bedeutende, besonders denkwürdige Vorgänge aus der Geschichte dieser alten Stadt und ihrer Umgebungen , die der Lünetten der poetischen Sage von „Otto dem Schützen“ entlehnt sein. Mit frischer Begeisterung wie mit gestählter Kraft und im Bewußtsein ihres Vollbesitzes und der reifsten Meisterschaft ist Janssen an dies riesige Werk gegangen. Fünf von den größsten Gemälden fanden wir im Sommer des vorigen Jahres in seiner Werkstatt im Akademiegebäude so gut wie vollendet. Für die Lünetten hat er vorzüglich in deren beschränkten Raum hinein komponierte Darstellungen zu jener, teilweise durch geschichtliche Fakta begründeten, romantischen Sage von Otto dem Schützen, deren Schauplätze im Hessenlande liegen, entworfen. Marburgs geschichtliche Vergangenheit hat die Stoffe zu den großen Wandgemälden gegeben, in denen Janssens Kunst der zugleich großartig monumentalen und ungekünzelt erscheinenden Komposition, der überzeugend lebensvollen Darstellung des Vorgangs, seine Kraft der Charakterisierung der Menschen aus den verschiedensten Zeitepochen und sein malerisches Können sich auf ihrem höchsten Gipfel zeigen.

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Kaiser Friedrich II. entläßt nach Preußen ziehende Deutsch-Ordensritter. 1236

Das erste Bild der Reihe stellt die Verabschiedung der zur Eroberung des heidnischen Preußen ausziehenden Ritter des Deutschen Ordens durch Kaiser Friedrich II. Im Schloß zu Marburg 1236 dar. Der in ein langes violettes Gewand mit dem Purpurmantel darüber gekleidete Kaiser, der für einen Mann von zweiundvierzig Jahren auffällig jugendlich erscheint, drückt dem scheidenden Hochmeister die Rechte und legt die Linke auf dessen Schulter mit einer Gebärde, die das feste Vertrauen in den Mut, den Verstand und die Tüchtigkeit dieses Führers beredt ausdrückt. Er seinerseits scheint dem Kaiser zu geloben, das er dies Vertrauen rechtfertigen werde. Seine Ritter sind bereits im Sattel und reiten, den Kaiser mit erhobenen Händen, geschwungenen Lanzen und Schwertern grüßend, dem Thor in den gewaltigen düsteren Mauern des alten Marburger Ordensschlosses zu. Zwischen und hinter den Rossen, über deren Rücken hin die weißen Ordensmäntel wallen, schreitet in gedrängten Gruppen das Fußvolk. Jene finsteren Mauern und trotzigen Rundtürme bilden den tieffarbigen ruhigen Hintergrund für die bewegten Gestaltenmassen in ihren meist hellen Trachten und schimmernden Eisenhauben. Das ganze Bild trägt das Gepräge schlichter Größe.

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Die h. Elisabeth und ihr geistiger Zuchtmeister Konrad von Marburg:1230

Der Gegenstand des zweiten Bildes bot dem Meister sehr viel reichere und mannigfaltigere Motive für die Schilderung mittelalterlicher Zustände und des Seelenlebens mittelalterlicher Menschen. Es zeigt die heilige Elisabeth, die all ihren Fürstenglanz, ihre Würde und Hoheit abgelegt und demütig als Wärterin der Kranken im Spital werktätig ihrem Heiland dient, und für ihren frommen Übereifer oder auf ihren Wunsch um der vermeintlich gottgefälligen Kasteiung willen, von dem fanatischen Bischof Konrad von Marburg gegeißelt wird. In der Darstellung der auf ihrem Schmerzenslager in langer Reihe nebeneinander lagernden kranken Frauen blieb Janssen an Kühnheit und Wahrhaftigkeit hinter keinem der alten niederländischen und deutschen wie der modernen Realisten zurück. Aber nie verfällt er dabei in kleinliche Ausmalung der Details. Immer ist auch in der Zeichnung dieser Gestalten der große monumentale Stil gewahrt. Die knieende Heilige, die dem finsteren Kleriker ergeben den zarten Rücken bietet, den er sich anschickt mit dem Strick in seiner rechten zu geißeln, ist die Verkörperung rührender Demut und frommer Ekstase. Der Körperschmerz scheint ihre Seele nur mit Entzücken zu erfüllen. Ihr edles Antlitz blickt wie verklärt zum Himmel auf, und ein seliges Lächeln gleitet darüber hin. Die sie umstehenden und die erschrocken, mitleidig und staunend zugleich der seltsamen grausigen Szene zuschauenden Gestalten drücken die sehr verschiedenartigen Empfindungen wahr und lebendig aus, welche der Vorgang in ihnen hervorruft. Die von draußen in den Raum einfallenden Sonnenstrahlen tauchen ihn und die Gruppen in ihm in lichte Töne von schöner Klarheit auch in den Schattenwaffen, die durch den Reßler zu warmem Helldunkel aufgelöst werden.

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Sophie von Brabant läßt die Marburger  Heinrich dem Kinde huldigen. 1248

Sophie von Brabant zeigt dem Volk von Marburg ihr Söhnchen, den Erben des Markgrafentums, Ludwig das Kind (1248) – das ist die, bereits einmal von Adolf Menzel in einem berühmten großen Karton dargestellte Szene, welche das dritte Wandgemälde veranschaulicht. In der Gestaltenmenge, die sich am Fuß der breiten Steinstufen drängt, auf deren Höhe die Fürstin, das erlauchte Knäblein mit beiden Händen in die Luft haltend, steht, hat Janssen seine Gabe und Kunst der lebendigen Vergegenwärtigung leidenschaftlich bewegter Menschenmassen, in freudig jubilierender Stimmung aufs glänzendste bewährt. Nie ist ein solches Volksgewühl wahrer und treffender geschildert worden. Aber wenn dieser schreiende, fahnenschwingende, in sich wogende bunt gemischte Haufen als einheitliche, wie von einem mächtigen Impuls getriebene Masse erscheint, so hat der Meister doch innerhalb ihrer jeden Mann, Greis, schlanken Jungen und kleinen Buben, jedes Weib und Mädchen als besondere Individualität, scharf und treffend zu charakterisieren verstanden. Da ist nicht Schablonenhaftes, in den Köpfen wie in den Gestalten und den Bewegungen. Und wie diese, sind auch die Lokalfarben von größester Mannigfaltigkeit, während sie doch auch wieder zu einem großen geschlossenen Gesamtton verschmolzen sind. Einen prächtigen Gegensatz zu dieser stürmisch bewegten Menschenflut bilden die gehelmten geharnischten Reiter, die hie und da, ehernen Statuen gleich, daraus aufragen.

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Die Schlacht bei Laufen. 1534

Noch heftiger und wilder bewegte, gestaltenreiche Gruppen zeigt das vierte Bild eines heißen Kampfgewühls, der siegreichen Schlacht bei Laufen, in welcher Philipp von Hessen das kaiserliche Heer unter dem Pfalzgrafen Philipp am 13. Mai 1534 schlug. Geharnischte Lanzenreiter auf feurig ansprengenden gepanzerten Rossen und Scharen „frommer Landsknechte“ in buntfarbigen geschlitzten und gepufften Wämsern und Hosen, mit Spießen, Hellebarden und zweihändigen Schwertern sieht man im wütenden Handgemenge. Die Fechtenden und die Sterbenden machen keine Posen, wie auf so vielen deutschen Schlachtenbildern, zumal auf solchen von mittelalterlichen Kampfszenen, sie schlagen und stechen, sie fallen und wälzen sich auf dem zerstampften Boden, so, daß man an den bitteren, grimmigen Ernst ihrens Thuns und ihren Leiden und daran, daß in jenem Zeitalter die Formen des Nahgefechts so wie sie hier dargestellt sind, gewesen seien, glauben muß.

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Die Reformatoren ziehen zum Religionsgespräch ein, empfangen von Philipp dem Großmütigen. 1529

Mit der gleichen Meisterschaft und gleich überzeugend wie auf dem dritten Bilde ist die Volksmenge auf dem fünften geschildert, welche sich da mit leidenschaftlicher Anteilnahme herandrängt zum gastlichen Empfange und zur Begrüßung der zum Religionsgespräch nach Marburg gekommenen Reformatoren Luther, Melanchton, Jonas, Osiander , Agricola, Zwingli, Decolampadius und Butzer durch Philipp von Hessen, den berühmten Förderer der Reformation. Aber wahrhaft bewundernswert sind auch alle diese geschichtlichen Charaktere, die Hauptfiguren in diesem Vorgange, dargestellt. Auch hier hat es Janssen wie auf dem Bilde der Vorstellung des kleinen Prinzen durch Sophie von Brabant vollendet erreicht, innerhalb der großen Gesamtmasse, die als Einheit wirkt und von einem gemeinsamen Gefühl bewegt und vorgetrieben wird, doch jede Einzelgestalt als besonderes persönliches Wesen zu bilden. Auch der Reichtum seiner Erfindung, seiner künstlerischen Schöpferkraft und die Schärfe seiner Beobachtung zeigen sich hier wieder in ganzer Größe. Nicht minder auch des Meisters Kunst und Macht, ein buntes Mosaik von lebhaften Lokalfarben und von ruhigem tiefen Schwarz zu einer schönen geschlossenen Totalwirkung zu verschmelzen.

Wenn Janssens Genie und Können sich in großen Zyklen symbolischer und geschichtlicher Wandgemälde auch am eindrucksvollsten bestätigt, und wenn deren Entwurf und Ausführung seinen ganzen künstlerischen Menschen während seines bisherigen Lebens auch zumeist in Anspruch genommen hat, so wußte er trotzdem doch noch immer genügende Zeit , Sinnes- und Seelenfreiheit zu gewinnen, um zu seiner eigenen Lust und ohne eine Bestellung abzuwarten, malerische Kunstwerke von mannigfacher Art zu schaffen. So schmückte er Wandfriese, Bogenfelder und Decken der Haupträume seines eigenen echt künstlerisch vornehm und traulich eingerichteten und ausgestatteten Daheim mit sinnigen poesie- und schönheitsvollen Malereien. So gestaltete er auf Reisen Gesehenes und Beobachtetes zu Bildern voller Leben und Charakter und von prächtiger Farbenfrische und –Wärme. Eine Reihe hochinteressanter Öl- und Aquarellgemälde und Farbenskizzen, zu denen das Volkstreiben in spanischen Städten die Motive gegeben hat, danken ihre Entstehung Janssens durch die pyrenäische Halbinsel. Wohl ist seine Phantasie erfüllt mit großen Gegenständen, und seine Hauptaufgabe  fand er immer darin, vor seinen Augen geistige Bilder aus jener idealen Welt, „wo die reinen Formen wohnen“ und von Menschen und Taten vergangener alter Zeiten heraufzubeschwören. Aber immer auch ist sein Blick allen Erscheinungen der Natur, der lebendigen Wirklichkeit aufmerksam zugewendet.

Keiner ihrer Reize ist ihm verschlossen, und was ihn in ihr anregt, malerisch interessiert und fesselt, skizziert er mit Pinsel und Stift. Aus der steten Berührung mit der Natur, aus dem Versenken in ihre unerschöpfliche Herrlichkeit gewinnt er immer wieder frische Kraft und bewahrt er sich vor jedem Erstarren in Manier.

 Als Mensch wie als Künstler ist er ein ganzer Mann. Gesund im innersten Mark, in allen Fasern seines Wesens, in seinem Denken, Anschauen und Schaffen steht er fest und tüchtig mitten in Leben seiner Zeit. Viele und Großes hat er geschaffen, und als Vorbild und Lehrer der Künstlerjugend um sich herum reiche Saaten ausgestreut, denen bereits manches herrliche Korn entsprossen ist. Aber Alles berechtigt zu der frohen Hoffnung, daß er noch lange nicht sein letztes Wort gesprochen hat, sondern noch Viel und Großes zu schaffen und zu wirken bestimmt ist, ihm zum Ruhm und zur Ehre der deutschen Kunst.

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